Auf einen unangebrachten Kommentar souverän reagieren? Viele wünschen sich schlagfertiger zu werden und frechen Sprüchen nicht perplex und sprachlos gegenüber zu stehen. Was es dazu neben einfachen Tricks an Mindset und Selbstbewusstsein braucht, das erklärt uns die Kommunikationsmentorin Madeleine Kumbartzki. Sie beantwortet uns die Frage, ob Schlagfertigkeit lernbar ist und wie du damit am Besten anfangen kannst..
Du schaust dir das Interview lieber als Video an? Kein Problem 🙂
Hast du auch sofort ein Bild vor Augen, wie du wärst, wenn du schlagfertiger sein könntest? Vielleicht cool und lässig, vielleicht sexy und sicherlich: souverän.
Schnell holt uns unsere Realität wieder ein: „So werde ich nie sein. Ich bin halt nicht schlagfertig.“
In diesem Beitrag möchte ich diese Vorstellung von Schlagfertigkeit hinterfragen und Tipps geben, was besonders introvertierte Frauen tun können, um sich Richtung Schlagfertigkeit zu entwickeln.
Verantwortung übernehmen
Häufig suchen wir die Gründe für unsere Gefühle und Handlungen im Außen. Dann ist es der Kollege, der bissig ist, die Chefin, die zu viel verlangt, die Kund*innen, die nerven, der Partner, der nicht zuhört.
Stop!
Das ist nicht dein Weg zu einem selbstbewussten und souveränen Leben. Das ist eine Sackgasse. Der Weg ist, dass du die Verantwortung für dich selbst und dein Leben übernimmst.
Verantwortung ist oft negativ konnotiert, fühlt sich schwer an, manchmal auch bedrohlich. Die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen ist jedoch ein Geschenk. Denn du hast immer die Wahl, wie du auf Situationen reagierst. Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen heißt schlicht, handlungsfähig zu sein, wählen zu können.
Nimm dein Leben, die unangenehmen Situationen an. So wie sie sind. Annehmen ist dabei nicht dasselbe wie hinnehmen. Hinnehmen bedeutet Resignation. Annehmen bedeutet, sich aufzurichten und nach Lösungen zu suchen.
Was Schlagfertigkeit mit Selbstwert zu tun hat
Schlagfertige Menschen sind smart, gewiss, und sie sind noch etwas viel Größeres: Sie sind es sich selbst wert, sich zu wehren. Und weil sie mit sich im Reinen sind, können sie auf unterschiedliche Weise schlagfertig sein: flapsig, ernst, humorvoll.
Wenn ich auf einen unangenehmen Spruch oder einen Angriff keine Reaktionsmöglichkeit habe, völlig perplex bin, dann hat das häufig mit meinem Selbstwertgefühl zu tun.
Bin ich es mir selbst wert, mich zu wehren und zwar sofort? Bin ich es mir selbst wert, mich zu zeigen und für mich einzustehen? Bin ich mir meiner eigenen Stärken bewusst?
Fehlt mir ein gewisses Maß an Selbstliebe, bringt es mir z.B. nichts, schlagfertige Sätze auswendig zu lernen. Mein Gegenüber wird sofort merken, wenn meine Haltung nicht mit meinen Worten übereinstimmt. Mangelndes Selbstwertgefühl verkörpert sich, d.h. man sieht es mir an meinen hängenden Schultern, meiner leisen Stimme und meinem gesenkten Blick an.
Es hilft auch nicht, einfach nur lauter zu sein. Auch das spiegelt nicht zwingend Souveränität wider.
Souveränität stellt sich dann ein, wenn du dir deiner Fähigkeiten, Ressourcen, deines Könnens und deines eigenen Wertes für DICH (nicht für andere) bewusst bist und dies auch lebst.
Wie man da hinkommt? In einem ersten Schritt höre dir selbst zu, wie du mit dir redest:
Selbstliebe statt Verurteilung
Wir selbst sind unsere größten Kritikerinnen und da wir uns bei uns nicht zurückhalten müssen, fällt diese Kritik häufig vernichtend aus.
Du kennst sicherlich Gedanken wie: „Nie fällt mir etwas ein! Das war ja klar, dass ich wieder den Mund nicht aufbekomme! Andere sind da viel souveräner als ich!“
Ich kann diese Gedanken gut verstehen. Früher habe ich auch so mit mir gesprochen. Nur bringen sie uns kein Stück weiter. Wir werden nicht zufriedener leben, nicht mehr Erfolg haben und schon gar nicht souveräner sein.
Wenn du das nächste Mal diese Gedanken wahrnimmst, dann gehe liebevoll mit dir um. Sage dir z.B.: „So möchte ich nicht mit mir reden. Ich bin ein lernendes Wesen und darf Fehler machen. Ich muss mich nicht dafür verurteilen, dass mich jemand anderes in diese Situation gebracht hat.“
Um unsere Gedanken wahrzunehmen und nicht direkt zu bewerten, braucht es etwas Übung. Achtsamkeitsübungen und Meditation sind hier wirksame Mittel.
Versuche eine Situation, in der du deiner Meinung nach, nicht souverän reagiert hast, wertzuschätzen als Lernmöglichkeit. Versuche sie rückwirkend zu betrachten, ohne sie zu bewerten, und wenn dir später eine gute Antwort einfällt, dann notiere sie dir.
Wie oben beschrieben, sollst du sie nicht auswendig lernen. Wenn du sie aufschreibst und immer wieder anschaust, prägen sich deine Reaktionsmuster ein. Aufbauend auf diese Muster, kannst du zukünftig reagieren. Denn diese Sätze sind bereits in dir.
Bedürfnisse ergründen
Dies funktioniert auf zwei Seiten:
Auf der eigenen Seite zu schauen, was passiert mit mir, wenn ich einen Angriff erlebe? Warum macht es mich perplex und sprachlos? Welches meiner Bedürfnisse wird in diesem Moment von der anderen Person nicht erfüllt?
Auf der Seite des Gegenübers lohnt es sich ebenso darüber nachzudenken, warum die Person so agiert. Welche Bedürfnisse könnten bei dieser Person nicht erfüllt sein?
Das heißt nicht, das Verhalten zu entschuldigen oder zu akzeptieren. Es fördert jedoch Verständnis für die andere Person und die eigene Wut, Scham oder Ärger verlieren an Kraft.
Dadurch gewinnst du Abstand zur Situation, wirst ruhiger und kannst auch leichter zukünftige Antwortmöglichkeiten finden.
Wenn wir nicht auf Konfrontation aus sind, ist Schlagfertigkeit nicht unbedingt die beste Wahl. Ein emphatischer Satz nimmt dem ganzen unter Umständen sogar die Luft aus den Segeln.
Verständnis zu entwickeln, emphatisch zu sein, ist ein Akt von Selbstbewusstsein und Größe. Verunsicherung, Ohnmacht und „Kleinfühlen“ haben dort keinen Platz mehr.
3 Tipps, für mögliche Reaktionen
1. Durchatmen
Wir verfallen in Schockstarre, obwohl wir reagieren sollten, weil wir emotional getroffen sind. Das Herz fängt an zu rasen, der Schweiß zu fließen, der Mund wird ganz trocken und in unserem Kopf rattert es wie eine alte Dampflock.
Auf diesem Erregungslevel kann uns keine souveräne Antwort einfallen. Deshalb: Atme erst mal tief durch. Das darf dein Gegenüber ruhig sehen, denn es ist bereits eine erste Möglichkeit, souverän zu reagieren.
Mach dich beim Einatmen groß, schau latent genervt oder belustigt, zieh die Augenbrauen etwas hoch und atme hörbar aus. Du suggerierst hierdurch deinem Gegenüber, dass er dich eben nicht getroffen hat.
Stehst du noch ganz am Anfang deines schlagfertigen Lebens, mache es kurz: Knappe Antworten wie „aha“, „soso“, „wenn du meinst“ und dann das Thema wechseln.
2. Nicht erklären oder rechtfertigen
Gerade Kritik oder ein Kommentar über unser Verhalten verleitet uns dazu, uns zu erklären und zu rechtfertigen. Das ist eine Reaktion, die wir unbedingt ablegen dürfen. Wir müssen uns nicht erklären für etwas, das wir getan oder gesagt haben. Von dem wir überzeugt waren, dass es richtig ist. Und selbst, wenn wir einen Fehler gemacht haben gibt es keinen Grund, sich zu rechtfertigen. Das möchte schließlich unser Gegenüber erreichen: Das wir uns verunsichern lassen.
Mein Tipp: Wenn du gedanklich schon nach einer Erklärung suchst, sage dir „stop“. Dann kannst du mit einer knappen Antwort kontern: “Danke, ich komme zurecht.“, „Hatten Sie etwa Zweifel?“ oder „Ich verstehe Ihre Frage nicht.“ Entweder hat sich die Sache dann erledigt oder ihr kommt ins Gespräch.
Warum möchtest du dich nicht mehr rechtfertigen? Weil es völlig okay ist, wenn du etwas nicht weißt. Weil es völlig okay ist, wenn du einen Fehler machst. Weil du es wert bist, dass du für dich einstehst.
3. Rückfragen stellen
Wenn du nicht weißt, wie du reagieren sollst, dann stelle Rückfragen: „Wie meinen Sie das?“, „Aha interessant, können Sie mir dazu mehr sagen?“, „So so, wie würden Sie es denn umsetzen?“, oder schlicht: „Danke, ich denke darüber nach.“
Mit Rückfragen kitzelst du dein Gegenüber aus der Reserve. Plötzlich muss er*sie sich erklären und manchmal zeigt sich dann, dass hinter dem blöden Spruch überhaupt nichts mehr steckt.
Umgang mit Sexismus
Oft erleben wir Frauen nicht nur Kritik oder mal einen blöden Spaß, sondern sehr häufig sind diese sexistisch. Auch das Hinterherpfeifen auf der Straße ist ein sexistischer Akt, der Catcalling genannt wird.
Wie kannst du in solchen Fällen reagieren?
Sexistische Witze sind nicht lustig. Lache nicht mehr mit und lächle nicht mehr milde.
Ja, wir könnten als „Spielverderberinnen“, als humorlos abgestempelt werden. Dennoch: Sexismus kennt keinen Humor.
Sexismus ist ein System, um gewisse Menschen aufgrund bestimmter Merkmale, in diesem Fall heterosexuelle Männer, zu bevorteilen und mit Privilegien auszustatten, die Frauen*, homosexuellen und transgeschlechtlichen Menschen verwehrt bleiben.
Weise bei sexistischen Sprüchen drauf hin, dass es sexistisch ist und du so etwas in deiner Gegenwart nicht hören willst.
Nicht immer wirst du eine beleidigte Reaktion erfahren. Häufig ist es Männern unangenehm und leider einfach nicht bewusst, dass sie sexistisch handeln.
Bei Catcalling entscheide, wie du dich in dem Moment sicher fühlst. Das Pfeifen oder Hinterherrufen zu ignorieren, abzuwinken und einfach weiterzugehen, sind absolut legitime Reaktionen.
Wie du dein Selbstbewusstsein noch nachhaltiger steigern kannst
Oben habe ich bereits Sätze wie „Ich kann das nicht“, „Ich bin nicht gut genug“ erwähnt. Dies sind limitierende Glaubenssätze. Sie schränken dich ein und verhindern, dass du dein wahres Selbst lebst. Warum solltest du nicht selbstbewusst und souverän sein können, wenn es andere sind?
Es lohnt sich, diese Glaubenssätze aufzulösen und mehr innere Freiheit zu entwickeln. Mach dir deine Glaubenssätze bewusst und entdecke deine Stärken. So kannst du nachhaltig wirklich gelassen bleiben, egal was die anderen sagen. Denn du kennst deine Stärken und kannst deine Schwächen mit Humor nehmen. Dann musst du dich nicht rechtfertigen, sondern kannst – wenn du willst – auch schlagfertig kontern.
Dies ist ein Gastbeitrag von Madeleine Kumbartzki. Du möchtest mehr? Dann besuche Madeleines Website oder hol dir das kostenlose Notfall-Kit.
Ich bin Jenna van Hauten
Seit 6 Jahren arbeite ich in einem internationalen IT-Unternehmen. Ich habe mich trotz Quereinstieg, Elternzeit, Teilzeit und sonstiger (vermeintlicher) Hindernisse, schneller beruflich weiterentwickelt als ich das unter Standardbedingungen für möglich gehalten hätte.