Hast du manchmal das Gefühl, im Job sehr herausgefordert zu sein, weil du überflutet wirst von den unzähligen Reizen um dich herum? Dann geht es dir wahrscheinlich ähnlich wie Julia. Als Hochsensible Anwältin kennt sie es nur zu gut, wenn sie Hektik, Unruhe und Stress in ihrer Umgebung besonders sensibel wahrnimmt und dadurch ihre innere Anspannung steigt. Aber bedeutet Hochsensibilität automatisch, nicht gewappnet für harte Verhandlungen zu sein und somit auch keine Chance auf Erfolg im Beruf zu haben? Für Julia jedenfalls nicht, denn sie lässt sich dadurch nicht von dem Job abhalten, den sie liebt.
In diesem Gastbeitrag verrät Julia, wie sie ihre Hochsensibilität, die sie lange für ihre größte Schwäche hielt, nutzt und mittlerweile weiß, dass es ihre größte Stärke ist in harten Verhandlungen. Außerdem gibt sie einige Tipps, was sie macht, um in besonders herausfordernden Situationen trotzdem Ruhe zu bewahren und ihren Job zu meistern.
Wenn du die Erfahrungen und Tipps von Julia lieber aus einem Interview erfahren möchtest, dann schau hier rein! Sie berichtet ganz ausführlich, wie sie es geschafft hat gerade wegen ihrer Hochsensibilität die erfolgreiche Juristin zu werden, die sie heute ist.
Ein spannendes Interview mit vielen Impulsen und ehrlichen Fakten über die Herausforderungen und Chancen im Umgag mit Hochsensibilität in der Berufswelt.
Ich bin Julia
Ich bin Julia, Künstlerin, Rechtsanwältin und Expertin für Hochsensibilität. Ich bin selbst hochsensibel und arbeite seit über 10 Jahren als Rechtsanwältin in einem internationalen IT-Konzern. 2021 habe ich mein Seelenbusiness als Coach für hochsensible Menschen gestartet und schreibe als Schöngeistrebell einen Blog für hochsensible Schöngeister.
Lies hier, was hochsensibel sein bedeutet und weshalb du nicht trotzdem, sondern gerade deshalb erfolgreich sein kannst:
Eine Definition von Hochsensibilität
- Hochsensibilität ist keine Krankheit, sondern eine neurophysiologische Besonderheit des zentralen Nervensystems. Es ist insgesamt deutlich sensibler als beim Durchschnitt.
- Im Nervensystem haben wir eine Art Filter eingebaut, der dafür sorgt, dass aus den Milliarden von Reizen die Informationen herausgefiltert werden, die für uns in der jeweiligen Situation wichtig sind. So dringt nur ein Bruchteil der Infos wirklich ins Bewusstsein. Das ist auch gut so, denn ohne diese Vorauswahl würden wir völlig überfordert und vor lauter Reizen in den Wahnsinn getrieben.
- Es ist bei etwa 20% der Bevölkerung so, dass diese Reizfilter offener sind als beim Durchschnitt. Ca. 20% sind also hochsensibel.
Die einfachste Definition von Hochsensibilität: Mehr von allem.
Als hochsensibler Mensch nimmst du mehr Reize wahr und musst mehr Reize tiefgreifend und intensiv verarbeiten. Dein Gehirn ist super aktiv, du bist empathischer, emotionaler, kreativer und deine Intuition ist stark ausgeprägt. Du spürst die Gefühle deines Gegenübers teilweise mehr als die Person selbst – was sehr herausfordernd sein kann.
All das kenne ich 1:1 so aus meinem Leben. Wenn du Hochsensibilität noch besser verstehen willst, lies hier weiter.
Warum es DEN Traumjob für Hochsensible oft nicht gibt
Wenn du hochsensibel bist, hast du andere Bedürfnisse als der Durchschnitt. Du brauchst z.B. ausreichend Ruhepausen, um die ganzen aufgenommenen Informationen zu verarbeiten. Dazu bist du vielleicht ein sehr vielinteressierter oder kreativer Mensch, den es langweilt, ständig dasselbe Thema zu bespielen. Ich lese z.B. immer viele Bücher gleichzeitig und bin unverbesserlich „lernsüchtig“.
Es reicht mir daher nicht, als Anwältin zu arbeiten. Obwohl ich da komplexe Sachverhalte und mehr als genug zu tun habe, brauche ich noch anderes Hirnfutter. Vor allem die Kreativität. Sonst geh ich ein wie eine verdurstende Primel.
Deswegen – und auch um meine Gesundheit zu schonen – arbeite ich in Teilzeit. So habe ich noch Zeit und Kraft übrig für mein Seelenbusiness als Coach für Hochsensible UND meine kreativen Projekte – z.B. den Schöngeistrebell.
Wie so oft ist es essenziell, eine Balance zu finden, um den Stress im Job auszugleichen und die Elemente, die für wichtig sind, die aber im Job nicht enthalten sind, anderweitig auszufüllen. Wahrscheinlich wäre das in jedem anderen Beruf ähnlich.
Stress und Druck sind ohnehin eine Volksplage geworden. Außerdem ist unsere Berufswelt so hochspezialisiert, da ist es selbst in einem abwechslungsreichen Umfeld unmöglich, ein vielseitiges Interessensspektrum abzubilden. 40 Jahre denselben Job 9-5 machen ist daher nicht mein Weg. Und wenn du hochsensibel, vielinteressiert oder vielbegabt bist, vielleicht auch nicht deiner. Out of the box Modelle, wie z.B. Teilzeittätigkeit und ein zweites Standbein, können eine Lösung sein.
Herausforderungen als hochsensible Juristin im Konzern
Als Unternehmensjuristin im Großkonzern hast du in der Regel viele Freiheiten, dich zu strukturieren und Dinge zu managen.
Das hilft, mit der großen Dynamik zurechtzukommen: Fristen, Hierarchie- und Betriebsstrukturen einhalten, Schnittstellen zu anderen Bereichen, diverse Prozesse beachten – all das bekommt dort einen ziemlichen Drive.
Durch die verschiedenen Aufgaben und die hohe Komplexität wird es wirklich nie langweilig – was gleichzeitig Vorteil als auch Nachteil ist. Ich mag den Kontakt zu den Kollegen und das internationale Flair, die Kommunikation auf Englisch und die Weltoffenheit.
Auf der anderen Seite sind Ruhe und Gleichförmigkeit, die Entspannung zulassen würden, quasi null vorhanden. Kaum denke ich, mir etwas Luft verschafft zu haben, trudelt schon eine neues Thema ein, das noch dringend gemanagt werden muss. Das ist manchmal ziemlich herausfordernd für mich als Hochsensible.
Rechtsanwältin sein hat mit Suits wenig zu tun
Ich hab Anwaltsserien seit dem Ende von Edel und Starck aufgegeben, aber was ich über Suits weiß, hat mit meinem Job wenig zu tun. Der hat mehr mit Arbeit und Durchhaltevermögen zu tun, als im schicken Kostüm mit coolen Sprüchen den Gegner verbal k.o. zu schlagen.
Die Verhandlungen, die ich mit anderen Anwälten führe, sind mit dem filmtypischen Schlagabtausch, der in amerikanischen Serien gezeigt wird, nicht wirklich vergleichbar. Bis auf wenige Ausrutscher läuft es ganz überwiegend sachlich und kollegial ab.
Die schwierigen Gespräche führe ich meist mit Managern. Wenn ich ihre Projekte, die sie unbedingt und sofort durchbekommen wollen, nicht absegne. Ich bin dann die Spielverderberin und muss dem Druck, der aufgebaut wird, standhalten. Das kommt regelmäßig vor und dafür braucht man dann gute Nerven.
Du möchtest easy & selbstbewusst im Job überzeugen?
Sichere dir jetzt mein kostenloses 60-minütiges online-Training:
Warum Hochsensibilität nicht das Gegenteil von Erfolg ist, sondern Teil davon
Ein großer Vorteil der Hochsensibilität ist, dass du die Menschen so gut spüren und lesen kannst. Es schafft einfach keiner, dich anzulügen. Merkst du auch sofort, wenn Spielchen gespielt werden oder etwas gesagt wird, was die Person gar nicht so meint? Das ist nicht überirdisch oder magic, sondern liegt daran, dass du schon kleinste Veränderungen im Gesicht, der Gestik oder der Stimme wahrnimmst. Das kann echt hilfreich sein – in Verhandlungen UND im Leben. Am Ende ist schließlich das halbe Leben eine Verhandlung. Sei es im Job oder wenn du mit deinem Partner redest, wer heute die Kinder abholt.
Finde deinen eigenen Stil
Mir wurde irgendwann klar: Lautstärke und Aggression sind nicht mein Ding und auf manipulieren hab ich auch keinen Bock. So hab ich meinen eigenen Stil gefunden. Ich nehme mein Gegenüber mit seiner Stimmung und seinen Zielen wahr, nehme sie ernst. Das bedeutet aber nicht, dass ich sie automatisch erfülle. Dann wär ich ja eine schlechte Anwältin. Doch schon allein durch das Wahrnehmen und meine Empathie fahren die Leute meist runter, wodurch eine sachliche Unterhaltung überhaupt erst möglich wird. Klar bin ich lösungsorientiert und an kreativen Wegen interessiert, bleibe aber, wenn es rechtlich nicht vertretbar ist, in der Sache hart.
Grenzen erkennen und an ihnen festhalten – das war ein steiniger Lernprozess, der aber essenziell für mich war.
“Als Anwältin bist du eine personifizierte Grenze.”
Wie du am besten damit umgehst, dass du anders bist
Ich hab mich schon immer stark von den meisten anderen Menschen unterschieden. Das anders sein war für mich als Kind und Jugendliche eine große Belastung. Ich fand mich komisch, wollte „normal“ sein und hab versucht, mich möglichst klein zu machen, um bloß nicht aufzufallen. Inzwischen kann ich meine Besonderheiten anerkennen und bin sogar stolz auf sie. Das war aber ein langer Weg. Für mich war der wichtigste Punkt, mich selbst zu akzeptieren und gut zu behandeln.
Geholfen hat mir, auf meine Bedürfnisse zu hören. Nur wenn die erfüllt sind, hab ich die Nerven für alles und kann meine Hochsensibilität positiv nutzen.
Wenn ich in meiner Mitte bin, kann ich die Emotionen anderer Leute wahrnehmen, lass mich aber nicht mitreißen. Bleibe bei mir. Das ist total wichtig, sonst verschwimmen die Gefühle mit denen der anderen.
Ich achte penibel darauf, Reizüberflutung wo es nur geht zu vermeiden z.B. indem ich Bildschirmmedien sehr gezielt nutze. Ich konzentriere mich auf einzelne Teilbereiche, statt mich im Multitasking und Schwätzchen mit der freundlichen Dame vom Empfang zu verlieren. Auch wenn ein Schwätzchen ab und zu ganz nett sein kann.
Außerdem habe ich ständig Ohrstöpsel bei mir, um mich bei Bedarf etwas abschirmen zu können. Ich versuche genügend Ruhephasen einzulegen, was in meiner jetzigen Lebensphase zugegeben nicht gerade ideal klappt. Die Jobs und mein ebenfalls sehr besonderer, süßer Sohn lassen ausreichend Ruhe gerade einfach nicht zu. Ich behelfe mir im Alltag mit Mini-Pausen, wie Atemübungen, um mich zu zentrieren. Stress ist aber definitiv meine größte Schwachstelle und ich arbeite aktuell sehr daran, mehr Entlastung zu organisieren.
Das wichtigste Thema für Hochsensible und empathische Menschen, um in ihre Mitte zu finden, ist schon angeteasert: Abgrenzung.
Ich weiß inzwischen, was ich will und was nicht, wer ich bin und wer nicht – und kann das auch so ausdrücken, dass mein Gegenüber es versteht. Sehr hilfreich, um im Leben weiterzukommen. Und das Beste: Du musst nicht unheimlich schlagfertig sein – das bin ich im Übrigen auch nicht – sondern mutig, geerdet und standhaft.
Mein wichtigster Tipp für deinen beruflichen Weg und dein ganzes Leben
Bleib dir treu und höre auf deine Intuition und dein Bauchgefühl!
Achte lieber nicht ZU doll darauf, was dir die Stimme in deinem Kopf sagen will. Denn vieles, was die von sich gibt, ist Bullshit, der gar nicht von DIR stammt. Den hast du im Laufe deines Lebens aufgesammelt und aufgedrückt bekommen. Es ist dir nur nicht bewusst. Hinterfrag daher unbedingt deine Glaubenssätze wie z.B. „das kann ich nicht“ oder „das gibt es alles schon“.
“Pass dein Leben an dich an, nicht umgekehrt. Dann wird Erfolg unvermeidbar – und zwar nach DEINER Definition!”
Ein Gastbeitrag von Julia Nähle-Ronay. Wenn du die Erfahrungen und Tipps von Julia lieber aus einem Interview erfahren möchtest, dann scheu hier rein!
Du möchtest mehr aus meinem Blog?
Ich bin Jenna van Hauten
Seit 8 Jahren arbeite ich in einem internationalen IT-Unternehmen. Ich habe mich trotz Quereinstieg, Elternzeit, Teilzeit und sonstiger (vermeintlicher) Hindernisse, schneller beruflich weiterentwickelt als ich das unter Standardbedingungen für möglich gehalten hätte.